Neue Züchtungstechniken

BDL: Zeitvorsprung nicht verspielen

Artikel 19.04.2024

Hitzetoleranter Weizen, nährstoffeffiziente Kartoffeln, pilzresistente Weinreben: Neue Züchtungstechniken können Nutzpflanzen widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels machen. Damit beschäftigt sich seit vorigem Sommer die Europäische Union. Damit hat sich auch der Bund der Deutschen Landjugend (BDL) beschäftigt. Am 24. April 2024 will das EU-Parlament in Straßburg die erste Lesung der „Verordnung über durch neuartige genomische Verfahren erzeugte Pflanzen“ abschließen.

Für den BDL ist klar: Landwirtschaft und Weinbau müssen sich mit Sorten ausstatten können, die mit dem rasant fortschreitenden Klimawandel klarkommen. „Deshalb müssen alle zur Verfügung stehenden Instrumente zur Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Anbausysteme genutzt werden“, so BDL-Vize und Jungwinzerin Maike Delp. Für die größte deutsche Junglandwirt:innen-Organisation sind die neuen Züchtungstechniken (NGTs) dabei ein Werkzeug unter vielen, um den mit dem Klimawandel einhergehenden Herausforderungen aktiv begegnen und die Ziele der Agenda 2030 und des EU Green Deals erfüllen zu können.

„Neue Züchtungstechniken bieten uns die Chance, den Anbau von Kulturpflanzen flächeneffizienter und damit klimafreundlicher zu gestalten. Wir erwarten daher von der Politik, dass sie den Weg für vielfältigere und produktivere Nutzpflanzen ebnet“, sagt Delp. Dazu gehöre auch die Öffnung des Gentechnikrechts für die Landwirtschaft. „Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen. Wir Junglandwirt:innen und -winzer:innen halten eine Novellierung und Öffnung des europäischen Gentechnikrechts für notwendig, da die Gensequenzierung nachweislich einen zeitlichen Vorteil bringt und züchterisch schneller auf die sich verändernden Klimabedingungen reagiert werden kann“, erläutert sie.

Wie viele landwirtschaftliche Nutzpflanzen reagieren auch Weinreben empfindlich auf klimatische Veränderungen. „Bei der herkömmlichen Pflanzenzüchtung dauert es etwa drei Jahrzehnte, bis neue pilzwiderstandsfähigere Rebsorten kultiviert sind und die Anerkennung vom Bundessortenamt erhalten. Der Einsatz neuer Züchtungstechniken kann dazu beitragen, traditionelle Rebsorten zu erhalten, die sich sonst immer weniger für den Anbau eignen“, sagt sie.

Der BDL sieht zudem die Chance, den CO2-Fußabdruck zu verringern. „Allein weil durch Sorten, die gegen bestimmte Pflanzenkrankheiten resistent sind, Überfahrten und Pflanzenschutzmittel eingespart werden können. Selbst besonders arbeitsintensive Weinberge zum Beispiel in Steil- oder Steilstlagen könnten trotz allgemein zunehmender Kosten verhältnismäßig rentabel bewirtschaftet werden“, erklärt die Jungwinzerin.

Auch eine Verschärfung des Patentrechts lehnt ihr Jugendverband ab. „Für uns ist das Open-Source-System in der Pflanzenzüchtung wichtig. Auch kleine und mittelständische Züchtungsunternehmen, die in Deutschland stark vertreten sind, sollen von neuen Technologien profitieren können“, begründet Delp. Der derzeitige EU-Rechtsrahmen benachteiligt sie, da die Anforderungen und Kosten der Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen sehr hoch sind. Käme dann noch die Patentierung von Pflanzenmerkmalen hinzu, hätten kleinere Pflanzenzüchtungsunternehmen wegen der hohen Lizenzkosten kaum eine Chance. „Dabei ist es im Interesse aller, die Vielfalt der Züchtungs- und Saatgutunternehmen und den breiten Zugang zur genetischen Vielfalt zu erhalten“, so die stellvertretende Bundesvorsitzende.

Aus Sicht der Landjugend bedarf es geeigneter politischer und gesetzlicher Rahmenbedingungen, damit europäische Junglandwirt:innen und Jungwinzer:innen im Wettbewerb zu anderen Ländern nicht benachteiligt werden. „Eine europäische Kennzeichnungspflicht könnte die Vermarktung unserer Erzeugnisse erschweren“, warnt die Jungwinzerin. Der Grund: In einigen Ländern außerhalb der EU werden cisgene Nutzpflanzen nicht als gentechnisch verändert eingestuft und unterliegen dort keiner Kennzeichnungspflicht. Bei Einfuhr der Waren müsse also gewährleistet sein, dass für die hier wirtschaftenden Landwirt:innen und Winzer:innen keine Wettbewerbsnachteile entstehen.

Klar ist für den BDL auch, dass die Gesellschaft besser informiert werden muss. „Ohne gesellschaftliche Akzeptanz können neue Züchtungstechniken nicht optimal genutzt werden. Beim Wissenstransfer sehen wir noch große Defizite“, so Maike Delp und verweist auf das von der Bundesmitgliederversammlung einstimmig verabschiedete BDL-Positionspapier zum Einsatz neuer Züchtungstechniken in der Landwirtschaft. Dieses enthält auch Begriffsklärungen.